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Dienstag, 29. Januar 2013

Die letzten Wochen

Jetzt glaubt bloß nicht, dass dieser Blog eingeschlafen ist. Ja, es ist vielleicht etwas ruhiger geworden, aber nun kommt wieder ein Update!



Seit dem letzten Eintrag bin ich in Te Puke, an der Ostküste, auf der Nordinsel Neuseelands. Hier wohnen wir in einem Backpacker Hostel, dem Hairry Berrys. 

Eine typische Kiwi-Plantage
Der Grund für unseren ungewöhnlich langen Aufenthalt ist, dass wir die Reisekasse auffüllen mussten und hier in den letzen Wochen sehr viel Arbeit zu finden war.

Die Region um Te Puke ist eines der weltweit größten Anbaugebiete für Kiwi Früchte, daher gibt es auch viel zu tun. Neue Plantagen müssen angelegt und Alte gepflegt werden.

Im letzten Eintrag beschrieb ich unsere erste Tätigkeit, das "Kiwi-Fruit Stringing". Anfangs ging ich davon aus, dass wir für den selben Arbeitgeber schaffen können, bis wir weiter reisen.
FALSCH GEDACHT!

Ich habe in letzten Wochen einiges über die Schnelllebigkeit von Arbeitsverhältnissen im Landwirtschaftssektor erfahren. Doch ich fange von vorne an.


Unser erster Arbeitgeber versprach uns, dass er uns bis März beschäftigen könne, doch nach 5 Arbeitstagen (mit Unterbrechungen, bedingt durch schlechtes Wetter), waren wir arbeitslos.
Naja wir wären es nicht gewesen, wenn wir uns Werkzeug für 200$ gekauft hätten,- aber mal ehrlich was soll ich als Backpacker mit einer großen Gartenschere, die ich möglicherweise nur an ein paar Tagen benutzen kann, um dann zu erfahren, dass ich entlassen bin?
Das war Job Nummer 1.

Unser darauf folgender Chef war ehrlicher. Ein Fortschritt. Bei ihm lernten wir das "Kiwi Fruit Thinning". Bei dieser Tätigkeit pflückten wir die schlechten Früchte aus den Plantagen, damit die guten Kiwis, bis ca. Mitte März, gut gedeihen können. 
Also schulten wir unsere Augen darauf, flache, kleine, runde Kiwis zu sehen. Kiwis mit Harken, Kiwis mit Schimmel, Kiwis mit Mängeln. Kiwis von 7.30 - 17.00 Uhr. Fast jeden Tag. Welch ein Traum. Apropos Traum. Sobald wir unsere Augen schlossen sahen wir die kleinen grünen Dinger mit dem Pelz auf dem Rücken, beim Schlafen, im Supermarkt, auf Plakaten. Fluch der Kiwis! 
Nachts pflückte ich im Traum Kiwis und wunderte mich beim aufwachen, warum ich denn nicht auf der Plantage bin. Kiwi Kiwi Kiwi Kiwi Kiwi- alles Kiwi oder was?

Aber die Arbeit wäre ja nicht halb so lustig, ohne unsere netten Mitarbeiter gewesen. 
Wir arbeiten mit eingesessenen Indern zusammen, deren Englischkenntnisse in 95% aller Fälle nicht über "Done. Next bay." hinaus ging. (Das ist jetzt nicht abwertend gemeint.)
Nun standen wir am ersten Arbeitstag in unserer ersten Reihe, gemeinsam mit einem Profi an jeder Seite.
Während wir mühsam eine schlechte Frucht nach der anderen suchten, trommelten die gepflückten Kiwis unserer Inder wie ein Hagenregen auf den Boden. In einem für uns anfänglich, unwahrscheinlichen Tempo arbeiteten sich unsere Mitarbeiter, Meter für Meter, nach vorne. 

Doch nach einigen Tagen der Übung, ging es auch bei uns schneller. Nach einer Woche stelle ich dann fest, dass deren Arbeitstempo stark im Zusammenhang mit der Anwesenheit unseres Chefs stand. Sobald sein Auto auch nur zu hören war, wurde die Geschwindigkeit um das 3-fache erhöht. Rollte sein Geländewagen von der Plantage, blieb mein Lieblingsmitarbeiter erst einmal stehen um sich zu unterhalten. Der gute, 60 Jahre frische, etwas fülligere, mit einem kleinem umgehängten Säbel und einem langen weißen Bart hieß Bamjid. Er war mir sehr sympathisch auch wenn unsere Verständigung nicht immer optimal funktionierte. 
Unsere Mitarbeiter. In der vorderen Reihe: Bamjid
Er war, wie ich dann nach ca. einer Woche feststellte ein sehr sehr entspannter Typ, der mich dann gerne nach meinem Kontostand fragte und ob ich schon verheiratet sei. 

Dann war da noch Sandy, unsere Aufseherin. Im Grunde genommen, wäre sie auch freundlich gewesen, wenn sie denn nicht immer den Boss hätte raus hängen lassen müssen.

Zu ihrer Lieblingsbeschäftigung zählte es, in unserer Reihe zu pflücken. Und das dort, wo wir bereits gearbeitet haben. Während wir bei jeder gepflückten Frucht ein schlechtes Gewissen hatten, dass diese doch eigentlich noch essbar (zwar optisch nicht einwandfrei, aber ok) wären, so hörten wir den Hagenregen der auf den Boden faltenden Kiwis hinter uns.

Ihr Englisch war allerdings besser als das der anderen, doch trotzdem konnten wir über den einen oder anderen Fehler stehts lachen.
Zu ihren Liebungssprüchen zählten:


  1. Booooooooooys, a little bit moving fast!
  2. Booooooooooys, you missed! (Sie zeigte vorwurfsvoll eine- oder gleich eine ganze Hand voll mit schlechten Früchten, die wir übersehen haben)
  3. Boooooooooooys, don´t miss rubbish!
  4. Pleeeeeeease just only dropping rubbish. No dropping good fruit!
  5. Stand up, work!

Nicht nur unser Englisch verbessert sich sich hier langsam, nein, wir lernten sogar Punjabi. Genauer genommen lernen wir ein Wort:

Hanji

Dieses Wort bedeutet eigentlich nur "Ja". Doch ich kann gar nicht beschreiben, wie oft, wirklich, WIE OFT, dieses Wort verwendet wird. 
Ausgesprochen durften wir uns von 7.30 - 17.00 Uhr dieses Geräusch (inzwischen ist das schon kein Wort mehr!) anhören.

Haaaaaaaaaanji
Hanji
Hanjiiii
Han
Haaanjiii

Doch wurden nicht nur die Buchstaben unterschiedlich lang ausgesprochen, nein, dieses Wort kann auf ganz unterschiedliche Weisen betont werden. Mal fröhlich, mal traurig, verständnisvoll, anklagend und weiß was ich nicht alles. 
Das dazu. Hanji? (Richtig, es ist auch ein Fragewort!)

In der monotonen Arbeit habe ich viel nachgedacht. Nachdem ich neue Geschäftspläne entwickelt hatte, machte ich mir einen Spaß daraus, auszurechnen wie viele Früchte wir wohl in 2 Wochen pflücken.
Hier die Zahl: 142.800 Stück

Für alle die es genau wissen wollen: 
Ausgangswert ist, dass ich alle 3 Sekunden eine schlechte Kiwi gepflückt habe. Also 20 Stück in einer Minute. In einer Stunde sind das schon ganze 1200 Früchte.
Unsere Arbeitszeit betrug (Insgesamt 1 Stunde Pause abgezogen) 8,5 Stunden. Am Tag rupften wir also (hoffentlich nur schlechte) 10.200 Stück.
Nun das ganze mal 14 Arbeitstage = 142.800 Früchte. Schon eine gewaltige Zahl.

Allerdings pflückt man gerade mal um die 10% ab. Das bedeutet, dass wir in den Tagen über eine Million Kiwis gesehen haben. 
Nun sollte man noch bedenken, dass wir auf dem Weg zum Auto, wenn es Mittagszeit war, auch andere Gänge entlang gegangen sind und somit auch andere Früchte sehen konnten. Außerdem gab es auch gute Plantagen auf denen es wenig zu pflücken gab, sodass wir deutlich mehr gesehen, als zu Boden gebracht haben. Ich würde realistisch schätzen, dass wir mit unseren anderen Arbeitserfahrungen sicherlich etwas bis 5 Millionen Früchte gesehen haben. 
Das sind mehr Kiwis als Neuseeland Einwohner hat. 

Was machen wir denn, wenn wir nicht arbeiten? Nun, da wir nur ca. 10 Autominuten vom Strand entfernt wohnen, geht es natürlich dort hin. 
Schön in den Wellen baden, die letzten Sonnenstrahlen des Tages genießen und anschließend eine Pizza bei Pizza Hut holen :-)
Neben dem Wasserfall 6 Meter in die Tiefe springen
Ebenfalls recht in der Nähe ist auch der Wasserfall, von dem ich schon einmal geschrieben habe. Dort waren wir wieder vor 2 Tagen, dieses Mal bei besserem Wetter. Es war auch beim 2. Mal wirklich toll! 

Nach der Arbeit gibt es aber nicht immer nur Pizza, sondern auch mal selbstgekochtes. Mit ein paar Freunden haben wir uns Burger selbst gemacht oder wir genießen draußen ein BBQ mit anderen Backpackern.

Unser 2. Arbeitgeber sprach vor unserer Einstellung, sowie unser 1. Chef, davon, dass 
er uns 2 Monate beschäftigen könne. 
Eines Tages sprach er sehr offen mit uns darüber, dass in diesem Jahr die Ernte sehr schlecht sei und er nur noch ca. eine halbe Woche Arbeit für uns hat. Nicht schon wieder Arbeitslosigkeit :(
Nun traten wir unseren letzten Arbeitstag an und erfuhren dann, dass wir doch noch ein paar Tage für ihn schaffen können. Kann er sich mal entscheiden?

Vor unserem nun wirklich letzten Arbeitstag hatten wir plötzlich ein paar freie Tage. Diese konnten wir spontan mit einem neuen Job überbrücken. Dieser war schnell organisiert.
Ich ging auf Toilette, in dem Glauben, keinen Job für die nächsten Tage zu haben. Wenige Minuten später, wird mir mitgeteilt, dass wir am nächsten Morgen wieder auf der Plantage stehen.
Also konnten wir wieder Geld verdienen. Als ich am Abend aus der Dusche kam, erfuhr ich, dass wir wieder ohne Job dar standen. Wir haben zu langsam gearbeitet.

Nur 20 Minuten nach der schlechten Nachricht, hatten wir einen neuen Arbeitgeber. Was zur Hölle?
Also rupften wir am nächsten Tag Unkraut. Was sich einfach anhört, war ziemlich anstrengend, denn sogar unsere Handschuhe gingen dabei kaputt.
Diese Arbeit machten wir allerdings nur einen Tag. Das reichte.

Weiter ging das Schaffen bei unserem 2. Arbeitgeber. Nach dem letzten Tag ging es dann wieder zu unserem 1. Chef, der erneut Jobs im Angebot hatte. Ziemlich wechselhaft hier, oder?
Noch vor dem Ende unseres Tages, erzählte er uns, dass wir zu langsam gearbeitet hatten.
Arbeitslos.

Nun reichts. Marian und ich fahren weiter. Am Donnerstag verlassen wir Te Puke. Genug Geld verdient, genug Plagerei!


Unkraut "zupfen" auf einer jungen Plantage

Als nächstes werden uns an der Küste zum östlichstem Leuchtturm der Welt begeben, dann südlicher fahren um unseren ersten Great Walk zu bestreiten.


Die Great Walks sind die schönsten Wanderungen in Neuseeland, 9 Stück gibt es davon. 3 befinden sich auf der Nordinsel, die wir auf jeden Fall alle mitnehmen. Wer sich eine Vorstellung von der tollen Landschaft machen möchte, kann mal hier reinschauen: Infos zu Great Walks

Sonstiges

  • Die Bewässerung einer Plantage kann pro Tag schnell 15.000$ kosten 
  • Hillis Öllampe blinkt, nach dem Auffüllen von über einem Liter Öl, zum Glück nicht mehr!
  • Ein Kilo Limetten kostet in Neuseeland schlappe 25$ (15,5 Euro)
  • Ich habe 2 tolle Care-Pakete aus der Heimat bekommen. Mit dabei: eine Flasche Havanna Club!
  • Während in Australien die Extreme (Hitze, Überschwemmungen, Tornados, ..) toben, ist hier alles friedlich
  • Am 05.03. werden wir voraussichtlich auf die Südinsel übersetzen
  • Meine pinken Haare sind nun durch einen 3-7mm Schnitt ersetzt (Ich hoffe die Haare wachsen schnell nach.)
BBQ mit anderen Backpackern beim "Shed"

So das war mal wieder ein Lebenszeichen von mir. Ich hoffe es macht Spaß meine Reise zu verfolgen und ich freue mich immer über ein Feedback. 
Deutschland vermisse ich natürlich, doch ich liebe auch dieses freie Leben hier. Daher kann ich meine Zweifel an diesem Jahr, die noch vor einem Jahr bestanden, nicht verstehen. :-)


Maik:    What does the men said?
Bamjid: Recorder
Maik:    I mean what is he talking about?
Bamjid: Ah, Battery
Maik:    Ok. Great. And what is the speak about?
Bamjid: I recorded from TV
(Inzwischen hatte Bamjid sein Aufnahmegerät hervorgeholt)
Bamjid: You speak

Ich sollte in das Gerät sprechen, damit er mir die Aufnahmefunktion demonstrieren konnte. 
Worum es nun in der Rede ging, weiß ich bis heute nicht.

Beste Grüße,
Maik aus Neuseeland


Bitter kalt bis die Sonne aufging
Anschließend nackt in den Wellen gebadet